Sobald Thierry Noir und Christophe Bouchet mit ihrer Wandmalerei angefangen hatten, wurden sie von Passanten allerlei Fragen gestellt. Aufzuhören wurde sodann unmöglich, sonst hätte man sie gar danach noch gefragt: Warum sie eigentlich aufhören?

So stellten sie fest, daß sie etwas Wichtiges getan hatten.Immer fiel dieselbe Antwort: " Wir versuchen nicht, die Mauer zu verschönen, weil es in der Tat absolut unmöglich ist. Allein der Tod von 80 Menschen, die es versuchten, über diese Mauer nach West-Berlin zu gelangen, verhindern dies in alle Ewigkeit. Man könnte diese Mauer mit Hunderten von Kilos Farbe bemalen, sie werde immer dieselbe bleiben: Ein blutiges Ungeheuer, ein altes Krokodil, das ab und zu aufwacht, jemanden verschlingt, und dann wieder einschläft, bis zu nächsten mal.Die Malerei auf der Berliner Mauer war immer etwas Besonderes.

Immer bedurfte sie einer Emotion mehr, um die Malerei in einen politischen Akt zu verwandeln. Noir und Bouchet malten oft mit Freunden wie Kiddy Citny, oder dann mit Leuten, die sie längs der Mauer getroffen hatten. Oft wollten auch etlichen Passanten die Mauer bemalen, doch wußten sie nicht recht wie und wo sie anfangen sollten.

Es war für sie schon zufriedenstellend, daß man ihnen sagte, was zu tun sei. So wuchs die bemalte Mauer sehr schnell bis zu einem Kilometer lang. Mariannenplatz, Potsdamerplatz, Waldemarstrasse, Checkpoint Charlie, das Malen wurde allmählich zu einem wahren Phänomen. Selbst der Berliner Senat nutze die Gelegenheit, um auf seinen touristischen Faltprospekten Werbung zu machen.

Doch machte man den Malern allerlei Schwierigkeiten. Oft zahlten Sie den Höchstpreis für Ihre verbotenen Malerei Arbeiten. So wurde ihnen verboten, Ostberlin zu besichtigen, oder gar, wie es Christophe Bouchet der Fall war, im Transit nach West Deutschland zu fahren. Sie bezahlten eigenen Leibes das Recht etwas Revolutionäres zu tun: die Berliner Mauer bemalen, sie zu verändern, sie lächerlich zu machen, sie zu zerstören.

Die Farben nörgelten am Beton wie Säure, fraßen sogar riesige Löcher hinein, welche bedrohten, den Koloß zu stürzen. Um den Leuten zu zeigen, daß diese mistige Mauer nicht ewig sei, trieben es Noir und Bouchet, ab Mai 1984, noch so weit ein Pissoir, ein Waschbecken, eine Kellertür und ein Paar Schuhe in die Mauer einzuschrauben.

Später bemerkten die ostdeutsche Soldaten jene außergewöhnlichen, auf der Mauer stets lächerlichen Objekte, fotografierten sie sorgfältig, schraubten sie ab, und letzten Endes beschlagnahmten sie. Die Maler wollten die Mauer mit Farbe bedeckten, sie in Farbe verpackten (siehe Christo), sie leuchtend machen, um sie als Mutation der Stadt erscheinen zu lassen. Mutation der Kunst und der Natur.

In der Tat lebten Hunderten von Kaninchen in dem No Man Land´s hinter der Mauer.Deutlich konnte man sie auf dem Potsdamerplatz herumhüpfend sehen. So auch Mutation der Kunst, die Berlin zu einer der wichtigsten Städte der Welt erhob. Viele Künstler trafen sich dort, spürten in dem tiefsten Innern, daß diese Stadt etwas mehr hatte, das ihnen Schaffenslust eintauchte.

Es gab in Berlin so etwas wie einen Notstimmung, welche die Künstler einlud, sich stets zu übertreffen und dank des Schaffens zu überleben.


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